Unmengen bewegter Bilder (POSITION #01/19)
KULTURSPLITTER: NEU ERSCHIENENE FILME UND SERIEN
Online-Streaminganbieter wie Netflix und AmazonPrime schrecken Teile der klassischen Filmindustrie auf, denn sie bieten nicht nur deren Streifen an, sondern sie vermarkten mittlerweile auch eigene Produktionen. Den etablierten Kino-Betreibern gefällt das nicht, da sie von dem Geschäft ausgeschlossen sind: Denn gestreamt wird auf dem eigenen Laptop oder dem Fernseher zuhause. Deswegen versuchten Kino-Betreiber solche Produktionen vom Berliner Filmfestival Berlinale auszuschließen. Auch von einer anderen Seite gibt es Kritik an den Streaming-Diensten, da sie Unmengen an Daten über uns sammeln und verarbeiten. Wie sonst soll ein Programm mir vorschlagen können, welche Sendungen mir vielleicht gefallen könnten? Dahinter stehen exakte Berechnungen, welche auf der Beobachtung des Sehverhaltens beruhen. Netflix und Co. können also auch berechnen, womit sie beim Publik wahrscheinlich gefallen finden und womit nicht.
Herauskommen dabei oft sehr gute und hochwertige Produktionen, die von Netflix in Zusammenarbeit mit Teams in verschiedenen Ländern erstellt werden. Eine sehenswerte deutsche Netflix-Produktion zum Beispiel ist der Mystery-Thriller „Dark“ mit Louis Hofmann in der Hauptrolle. Die Geschichte eines Dorfes in dem sich Raum und Zeit verschieben wurde bisher in zehn Episoden erzählt. Die Serie hat Suchtpotential: Sie ist packend erzählt und nimmt den Zuschauer mit in eine düstere Handlung, zu der in diesem Jahr eine zweite Staffel erscheint. Auch von der UK-Netflix-Produktion „Sex Education“ warten wir gespannt auf die zweite Staffel. Denn die Jugendserie schafft es auf unterhaltsame Weise Sex-und Liebesthemen zu behandeln ohne dabei aufgesetztzu wirken. Zwar ist der Plot ziemlich einfach (der Sohn einer Sexualtherapeutin therapiert seine MitschülerInnen), doch ist die Geschichte kurzweilig erzählt und die Message zeitlos wichtig. Wer sich noch nicht abgewandt hat von Mainstream-Produktionen, dem legen wir diese Serie ans Herz.
Weniger Empfehlenswert ist die russische Produktion „Trotzki“ über das Leben des ehemaligen Kommandanten der Roten Armee, der nachdem er mehr und mehr Probleme mit dem realen Sozialismus hatte über die Kommunistische Internationale urteilte, die sei „unabhängig von ihren Absichten, die beste Helfershelferin des Faschismus und der Reaktion überhaupt geworden“. Zwei Jahre später griffen die Faschisten die Sowjetunion an, doch an seinem Urteil änderte das nichts. Mitten im Krieg bezeichnete er sie als „wertvollste Agentur des Imperialismus“. Diese Wandlungen will die Serie beschreiben, doch auf historische Wahrheiten verzichtet sie. Stattdessen setzt sie auf teure Bilder, um ihre antikommunistische Botschaft besser zu vermitteln.
Wem da lieber Lust auf etwas Unterhaltsames kommt, dem empfehlen wir einen Blick in die neue Southpark-Staffel, die gibt’s umsonst im Internet. Nach dem inhaltlichen Abflauen der letzten Folgen haben sich die Macher wohl nochmal einen Ruck gegeben, vor allem bei den letzten zwei Folgen: Amazon hat in Southpark ein Logistikzentrum errichtet, die Bevölkerung arbeitet dort unter sklavereiähnlichen Bedingungen. Durch einen Arbeitsunfall wird ein Arbeiter schließlich zu einem besonderen Amazon-Paket, das versucht sich mit Karl Marx die Welt zu erklären –und das klappt im echten Leben als auch in Southpark sehr gut!
Animierte Kapitalmuskritik –und das auch noch erstaunlich genau und klug –hat überraschenderweise der LEGO-Movie von 2014 an den Tag gelegt.Der republikanische US-Sender FOX lief damals Sturm dagegen. Mal schauen ob der zweite Teil, der aktuell in den Kinos läuft, das auch so gut hinbekommt. Wer dafür nichts übrig hat, sollte sich ab dem 21. Februar den Film „Der verlorene Sohn“ ansehen. In dem US-Spielfilm wird nachfühlbar gezeigt, in welchen Abgrund Menschen durch sogenannte Anti-Schwulen-Therapien gestützt werden über deren Abschaffung aktuell in Deutschland diskutiert wird. Lucas Hedges, Nicole Kidman und Joel Edgerton spielen überzeugend ihre Rollen, der große und junge Filmemacher Xavier Dolan hat eine Gastrolle. Für alle, die nicht so auf bewegte Bilder stehen: Ihm ist das neue Buch „Wer hat meinen Vater umgebracht“ von Édouard Louis gewidmet. Wer die französische Gelbwesten-Bewegung etwas besser nachvollziehen will, sollte sich diese kurzen 77 Seiten bald durchlesen.
Unbedingt lesenswert sind übrigens auch die Aussagen des Künstlers Gerhard Richter, über den der Oscar-Gewinner Florian Henckel von Donnersmark den Kinofilm „Werk ohne Autor“ mit Tom Schilling in der Hauptrolle gemacht hat. Der Film war wie auch „Die Kinder des Kalifats“ (siehe Likes-und-Dislikes in dieser Ausgabe) für den diesjährigen Oscar nominiert. Richter, der die historische Vorlage für die Hauptfigur in dem antikommunistischen Drama von Donnersmark ist, findet nämlich dass seine Geschichte „missbraucht und grob verzerrt“ wurde. Da könnte etwas dran sein, schließlich hat von Donnersmark genau darin Übung. War das nicht der Typ, der auch den DDR-Horrorstreifen „Das Leben der anderen“ gemacht hat? Ahhh, da gab‘s doch eine historische Vorlage, den Dramatiker Christoph Hein. Auch seine Biographie wurde zurechtgebogen, bis es in die Story passte –ob die DDR oder das Leben von Hein wirklich so war? Er sagt: „Mein Leben war anders als in ‚Das Leben der Anderen‘ dargestellt“. Geschichten erzählen kann er also, der Florian. Das mit den Geschichtsfilmen jedoch sollte er besser sein lassen.
[Mark, München]
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