Interview mit Jonas von der Uniklinik Essen zum Ausgang des Streiks
POSITION: Wenn es um Streiks in Krankenhäusern geht, wird immer vorgeschoben, dass das gefährlich für die PatientInnen sei. In Essen wurden etwa 2000 Operationen abgesagt. Wie funktioniert der Streik an einem Krankenhaus und wie war das bei euch Azubis?
Jonas: Natürlich geht man nicht einfach so in den Streik, weil wir nicht wie in der Industrie mal eben die Maschinen abstellen können. Vorab klärt man in einer sogenannten Notdienstvereinbarung, wie viele KollegInnen für die Notfallversorgung notwendig sind. Was die Operationen betrifft muss man klar sagen, dass nicht jede Operation lebensnotwendig ist und man sie deshalb auch verschieben kann. Bei uns Azubis gab es anfangs eine rege Beteiligung, die allerdings in der zweiten Hälfte langsam abflaute. Viele hatten Angst, Lerninhalte zu verpassen und wir glauben, dass es auch daran liegt, dass unsere Jugendstruktur es nicht immer geschafft hat, gute Angebote zu machen.
Was waren eure Forderungen?
Jonas: Bei den Kämpfen in Essen und Düsseldorf ging es nicht um Lohnfragen, da diese ja nicht verhandelt werden dürfen, solange sie in einem gültigen Tarifvertrag geregelt sind. Es ging um die Frage der konkreten Entlastung. Wir haben zum Beispiel gefordert, dass Auszubildende nicht in die Stellbesetzung mit einberechnet werden, sondern auf die Vollzeitstellen obendrauf kommen. Außerdem, dass es eine sogenannte verbindliche Praxisanleitung gibt, also Ausbildung, für die man selbst und eine ausbildende Fachkraft freigestellt wird. Dadurch wird Zeit für eine gute Ausbildung eingeräumt, ohne dass das Auswirkung auf den Arbeitsalltag hat. Das gibt es in der Pflege zwar schon, ist aber ein Riesenschritt für die Nichtpflegeberufe, aus denen fast die Hälfte unserer 600 Azubis kommen.
Oft liest man ja, dass viele Stellen gar nicht besetzt werden, weil sich zu wenig Menschen für diesen Bereich interessieren. Wie soll also konkret entlastet werden?
Jonas: Es gibt tatsächlich einen Mangel an verfügbaren Pflegekräften. Wenn zu wenig pflegen können, müssen Kapazitäten heruntergefahren werden. Außerdem ist es schon so, dass der Arbeitgeber kein Interesse daran hat, einzustellen. Man sieht das ganz gut in der Radiologie oder Physiotherapie. Die Belastung in den Bereichen ist sehr hoch, trotzdem werden die Wenigsten nach der Ausbildung übernommen. In unserem Krankenhaus gibt es beispielsweise nur zwei Ergotherapeutinnen. Hier können Stellen besetzt werden, die Leute wären da, aber der Arbeitgeber macht keinerlei Anstalten, da was zu tun.
Welche Forderungen werden denn jetzt umgesetzt und wie würdest du den Ausgang bewerten?
Jonas: Die verbindliche Praxisanleitung und die Stellenbesetzung wurden mit aufgenommen. Außerdem haben wir ein Krisenmanagement erkämpft. Ab einer gewissen Härte müssen die Kapazitäten runtergefahren werden. Ungünstig ist, dass das nur für die Pflegeberufe gilt. Was jedoch niemand gedacht hätte, dass die Beschäftigten in Form des Personalrats jetzt Einfluss auf die Verteilung der 40 neuen Stellen in den nicht-pflegerischen Berufen hat. Insgesamt ist es ein guter Abschluss, der aber für uns nicht mehr sein kann, als ein erster Schritt.
Das Interview führte Domi, Neumarkt
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