S wie Schwarze Null (POSITION #03/18)

veröffentlicht am: 5 Aug, 2018

Der Begriff „Schwarze Null“ wird von vielen Politikern des gesamten Parteienspektrums häufig verwendet, das Konzept erscheint auf den ersten Blick vernünftig. Der Staat soll die aufgrund des Wirtschaftswachstums steigenden Steuereinnahmen vor allem dazu verwenden, alte Schulden zurückzuzahlen und keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Was bei einem normalen Privathaushalt durchaus Sinn macht, stellt sich in einem bürgerlichen Staat komplizierter dar.

Die „Schwarze Null“ im Privathaushalt
In einem klassischen Privathaushalt gibt es meist ein oder zwei feste Einkommen, die durch die Höhe des jeweiligen Lohns bestimmt werden. Zusammen bilden sie das Gesamteinkommen, also das Geld, über das der Haushalt zur Befriedigung der Bedürfnisse seiner Mitglieder verfügt. Die Lohnhöhe kann aber nicht individuell nach oben oder unten verändert werden, sondern wird einerseits durch kollektiv erkämpfte Tariferhöhungen bestimmt und ist andrerseits davon abhängig, was der Kapitalist zu zahlen bereit ist. Wenn nun bestimmte Bedürfnisse z.B. nach Luxusartikeln nicht befriedigt werden, kann ein Betrag X gespart werden, über den der Haushalt dann zusätzlich verfügt um z.B. in Urlaub zu fahren oder ein neues Auto zu kaufen. Der Unterschied zwischen Staats- und Privathaushalt ist aber, dass der Staat selbst bestimmen kann, wie viel Geld er von wem durch Steuern einnimmt und dementsprechend auch selbst bestimmen kann, für welche Dinge er wie Geld ausgeben will oder eben auch nicht. Die Politik kann bestimmen, ob sie lieber Geld von reichen oder armen Haushalten nehmen will und kann selbst entscheiden, wofür sie dieses Geld ausgibt – für Dinge, die den Banken und Konzernen nutzen oder eben den lohnabhängig Beschäftigten.

Wie die „Schwarze Null“ erreicht werden soll
Wie soll das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts erreicht werden, also in welchen Bereichen will der Staat Ausgaben kürzen, um Geld übrig zu haben? Hier gibt es zwei große Entwicklungen in den letzten Jahren. Erstens werden dringende Investitionen in unsere Infrastruktur nicht getätigt. So belief sich der Investitionsstau, also die Summe der notwendigen, aber nicht vorgenommenen Investitionen, im Jahr 2017 auf 100 Milliarden Euro. Eine Folge davon ist z.B., dass Krankenhäuser das Geld für den Erhalt und notwendigen Ausbau der Kliniken vom Personalbudget kürzen müssen, da der Staat dafür nicht aufkommt. Das ist dann wieder für den Personalmangel mitverantwortlich. Gleichzeitig soll aber das Verteidigungsbudget bis 2024 fast verdoppelt werden. Zweitens werden die Kosten für die sozialen Sicherungssysteme vom Bundeshaushalt in die kommunalen Haushalte umgelagert, sodass diese oft kein Geld mehr haben, um ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Schwimmbäder, Jugendzentren oder Büchereien müssen dann geschlossen werden.

Abbau unserer Errungenschaften
Der Begriff „Schwarze Null“ ist ein Kampfbegriff zur Durchsetzung der Kürzungspolitik auf Kosten der Jugend und der Arbeiterklasse und richtet sich gegen die Umverteilung von unten nach oben. Errungenschaften wie der Sozialstaat oder ein Bildungssystem, das zumindest formal jedem die gleichen Chancen eröffnet, für die die Arbeiterklasse Jahrhunderte lang kämpfen musste, werden so durch die Hintertür wieder abgebaut. Und dann wird auch noch versucht, uns das Ganze als Generationengerechtigkeit zu verkaufen. Aber was nützt uns Jugendlichen ein schuldenfreier Staat, wenn dieser nicht in der Lage ist, die sozialen Sicherungssysteme aufrechtzuerhalten und die notwendige Infrastruktur zu sichern?

[Cyril, Frankfurt]

Dieser Artikel erschien in
POSITION #3/2018
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