Der offene Brief (POSITION #01/19)
Hallo Thomas,
du bist seit dem August 2014 Leiter der Grundsatzabteilung des Gewerkschaftsbunds DGB. Vorher hast du bei der neoliberalen Bertelsmann-Stiftung gearbeitet und dort unter anderem das Brüsseler Büro geleitet. Die Bertelsmann-Stiftung ist der größte „politische Influencer“ für neoliberale Deregulierungs- und Privatisierungspolitik in Deutschland. Auch heute noch bist du Teil des „New Pact for Europe“ einem Projekt das unter anderem von Bertelsmann und der BMW-Stiftung finanziert wird. Du kennst als erfahrener Lobbyist also die Hinterzimmer der europäischen Institutionen von innen.
Die Grundsatzabteilung des DGB ist dafür zuständig Positionen zu sämtlichen politischen Fragen zu erarbeiten. Als Leiter der Grundsatzabteilung bist du wohl auch mitverantwortlich für das DGB-Motto „Europa jetzt aber Richtig“ und den damit einhergehenden Positionspapieren. Unter anderem fordert ihr dort, dass EU-Vergaberichtlinen in Zukunft ökologische und soziale Standards deutlich mehr gewichten müssten. Nochmal zur Erinnerung: Die EU-Vergaberichtlinien schreiben vor, dass jeder öffentliche Auftrag (den zum Beispiel eine Kommune vergibt) europaweit ausgeschrieben werden muss. Die Kommune ist damit verpflichtet dem jeweils billigsten Anbieter den Zuschlag zu geben. Also kann die Kommune z.B. den Ausbau ihres öffentlichen Nahverkehrs nicht an das Busunternehmen geben, von dem sie weiß, dass es den besten Service für ihre Bewohner bietet, sondern an das Unternehmen, das seine Angestellten am meisten ausquetscht und damit der billigste Anbieter ist, geben muss. Für Arbeitnehmer die auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen sind, ist die EU-Vergaberichtlinie selbst das Problem, nicht deren mangelhafte Standards.
Aber auch du siehst dass die reale EU-Politik der letzten Jahre problematisch ist. In deiner Rede auf der Böckler-Betriebsrätekonfernz im Juni hast du diese Probleme sogar konkret benannt. Du hast dort Gesagt, „Europa ist Sinnbild für Liberalisierung und Deregulierung, für den Vorrang der Binnenmarktfreiheiten vor den sozialen Grundrechten und trägt damit systematisch zu dem Abbau von Sozialstandards bei“. Trotzdem bist du der Meinung, dass „wir dieses Europa eben einfach brauchen, um die Herausforderungen der Zukunft auch aktiv mitgestalten können“. Wenn du mit „wir“ uns arbeitende Menschen meinst, dann verstehe ich echt nicht was du meinst. Wie sollen wir in einem Europa mitgestalten das seit 22 Jahren erfolgreich daran arbeitet unsere Grundrechte abzubauen? Dein Vorschlag ist, dass wir anfangen die verantwortlichen Politiker zu überzeugen, aber als Gewerkschafter wissen wir doch das „Überzeugen“ ohne Druck aufzubauen nichts anderes ist als Betteln und nichts verändert. Außerdem müsstest du doch ganz genau wissen das die EU die Union der Banken und Konzerne ist und immer bleiben wird. Das Problem ist nicht die falsche Politik der EU sondern der strukturelle Charakter der EU: Sie ist undemokratisch, militaristisch und neoliberal, sie ist die Union der Banken und Konzerne.
[Cyril, Frankfurt]
…Cyril ist seit 4 Jahren in der verdi Jugend Aktiv.
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