{"id":19676,"date":"2023-07-02T14:34:14","date_gmt":"2023-07-02T12:34:14","guid":{"rendered":"https:\/\/www.sdaj.org\/?p=19676"},"modified":"2023-09-30T14:54:14","modified_gmt":"2023-09-30T12:54:14","slug":"kampf-um-arbeitszeitverkuerzung-seit-jeher-vom-beginn-der-aufgestellten-forderung-bis-heute","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.sdaj.org\/2023\/07\/02\/kampf-um-arbeitszeitverkuerzung-seit-jeher-vom-beginn-der-aufgestellten-forderung-bis-heute\/","title":{"rendered":"Kampf um Arbeitszeitverk\u00fcrzung seit jeher? Vom Beginn der aufgestellten Forderung bis heute"},"content":{"rendered":"
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Das Thema \u201eArbeitszeit\u201c ist momentan wieder in aller Munde: In den Zeitungen diskutieren Journalisten, dass der heutigen Generation die Lust an der 40 Stunden- Woche verloren gegangen sei. Man wolle jetzt weniger arbeiten, mehr Zeit fu\u0308r die Familie, Hobbys und Freunde haben. Manche von ihnen finden das gut, andere schimpfen daru\u0308ber, dass \u201edie jungen Leute\u201c doch alle \u201efaul\u201c geworden seien. Das habe etwas mit dem \u201eWertewandel\u201c und dem Versta\u0308ndnis von \u201egutem Leben\u201c der \u201eGeneration Z\u201c oder A\u0308hnlichem zu tun. Das Bedu\u0308rfnis nach einem ku\u0308rzeren Arbeitstag ist allerdings alles andere als ein neues Pha\u0308nomen. In Wahrheit gibt es den Kampf um die La\u0308nge des Arbeitstages schon solange es Ausgebeutete und Ausbeuter gibt. Darunter fallen ebenso Schilderungen von SklavInnen und Sklavenhaltern, Bauern und Adeligen; wir betrachten in diesem Artikel jedoch die Geschichte dieses Kampfes in dem System, in dem wir heute noch eben: Im Kapitalismus.<\/p>\n

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Schaffen bis zum „Geht nicht mehr.“<\/h2>\n

Zu Beginn des Kapitalismus waren der La\u0308nge des Arbeitstages die Grenzen in der physischen Belastbarkeit der ArbeiterInnen gesetzt. Das bedeutet, die ArbeiterInnen haben in der Regel so lange gearbeitet, wie es ihnen irgendwie \u201ezuzumuten\u201c war. Und zuzumuten bedeutet hier Arbeitstage von mehr als 14 Stunden. Das ging so weit, dass beispielsweise der englische Staat die Arbeitszeit begrenzen musste, damit es ihm nicht an wehrfa\u0308higen Rekruten fu\u0308r die Armee fehlt. Viel entgegenzusetzen hatten die ArbeiterInnen dem selbst aber nicht. Wer sich geweigert oder zu viel beschwert hat, der wurde auf die Stra\u00dfe gesetzt. Erst als die ArbeiterInnen begonnen haben, sich zusammenzuschlie\u00dfen, konnten sie den Chefs die Stirn bieten. Eine der zentralen Forderungen der aufkommenden Arbeiterbewegung war die nach dem acht Stundentag. Acht Stunden schlafen, acht Stunden arbeiten und acht Stunden Freizeit \u2013 das war die Forderung, die die Arbeiterbewegung 1889 international aufstellte. Bis zu ihrer Durchsetzung bei uns in Deutschland brauchte es die Revolution von 1918. Als es den ArbeiterInnen und Soldaten gelang, das Kaiserreich zu stu\u0308rzen, bekamen es die Kapitalisten mit der Angst zu tun. Mit dem Zugesta\u0308ndnis des Achtstundentags versuchten sie die ArbeiterInnen zu besa\u0308nftigen. Achtstundentag hei\u00dft wohlgemerkt keine 40-Stunden-Woche. Samstags- und teils auch Sonntagsarbeit waren die Regel. W\u00e4hrend des Faschismus stiegen in Folge der Vernichtung der Arbeiterbewegung sowie einer erh\u00f6hten R\u00fcstungsproduktion die durchschnittliche Arbeitszeit auf ca. 50 Stunden die Woche.<\/p>\n

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Der Kampf um Arbeitszeitverk\u00fcrzung nach dem Zweiten Weltkrieg<\/h2>\n

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die deutsche Arbeiterbewegung das Thema Arbeitszeit wieder ganz oben auf die Agenda. Der 1. Mai 1956 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) stand unter dem Motto \u201eSamstag geho\u0308rt Vati mir!\u201c, also der Forderung nach dem arbeitsfreien Samstag und damit der 40 Stunden Woche. Vorreiterrolle hatte dabei die IG Metall als gro\u0308\u00dfte deutsche Gewerkschaft mit einer starken Basis in den wichtigsten deutschen Konzernen. Stu\u0308ck fu\u0308r Stu\u0308ck setzte sie die Arbeitszeitreduzierung fu\u0308r die Tarifbescha\u0308ftigten auf formal 40 Stunden die Woche bis 1967 durch. Real aber, d.h. unter Beru\u0308cksichtigung der U\u0308berstunden und Wochenendschichten, lag sie in vielen Fa\u0308llen daru\u0308ber. Zudem wurde durch die zunehmende Automatisierung der Produktion die Arbeit intensiver, stressiger, dichter. Au\u00dferdem ging diese Arbeitszeitverku\u0308rzung weder mit einem relevanten Personalausgleich einher (die Arbeitslosigkeit stieg Mitte der 70er Jahre auf Rekordho\u0308hen), noch mit einer Reduktion der ta\u0308glichen Arbeitszeit (sondern durch den Entfall der Samstagsarbeit). 1977 waren es dann erneut die ArbeiterInnen der IG Metall, die den Vorsto\u00df wagten. Entgegen der Empfehlung des Gewerkschaftsvorstandes forderten sie die 35-Stunden Woche und den Siebenstundenarbeitstag zur Tarifforderung zu erkla\u0308ren. Und setzten sich durch. Ein Jahr spa\u0308ter beschloss der Gewerkschaftstag des DGB das Gleiche, wieder gegen die Empfehlung vieler Gewerkschaftsvorsta\u0308nde und der Antragskommission.<\/p>\n

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Vor knapp 40 Jahren kam es dann zu einem der ha\u0308rtesten Streikka\u0308mpfe der Bundesrepublik. Sieben Wochen lang wurde in der Metall- und 13 Wochen in der Druckindustrie gestreikt. Einer der zentralen Forderungen war die 35h-Woche. Es streikten 58.000 MetallarbeiterInnen und 45.000 Bescha\u0308ftigte der Druckerindustrie. Mehr als eine halbe Millionen Menschen wurden von den Chefs \u201eausgesperrt\u201c (d.h. sie durften nicht arbeiten, standen also ohne Lohn da). Die Regierung griff in den Arbeitskampf ein und setzte eine Schlichtung an. Deren Ergebnis war die Einfu\u0308hrung der 38,5 – Stunden-Woche, wobei dieser Wert als zu erreichender Durchschnitt galt, deren konkrete Umsetzung auf Betriebsebene zu regeln war. Das Ergebnis war ein zweischneidiges Schwert: Einerseits gelang es den ArbeiterInnen der IG Metall bis 1995 Schritt fu\u0308r Schritt die 35h-Woche einzufu\u0308hren. Andererseits o\u0308ffnete das Ergebnis Tu\u0308r und Tor fu\u0308r eine weitreichende \u201eVerbetrieblichung\u201c der Arbeitszeitregeln. Sprich: Immer o\u0308fter wurde von Betrieb zu Betrieb entschieden, wie lange und wie genau gearbeitet werden sollte. Das erschwert den Gewerkschaften den Kampf um eine einheitliche Reduktion der Arbeitszeit. Sowieso gilt die 35h-Woche nur fu\u0308r die Druck-, Elektro-, Metall-, Stahl- und Holzindustrie. Alle anderen Branchen stehen fu\u0308r sich.<\/p>\n

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Anders lief das in der DDR ab: Hier wurde die Wochenarbeitszeit qua Gesetz schrittweise gesenkt – 1957 auf 45 Stunden, 1967 die Fu\u0308nftagewoche und eine weitergehende Verku\u0308rzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Die Arbeitszeit sank weiter, da es in der DDR nicht um den gro\u0308\u00dftmo\u0308glichen Profit, sondern um gute Lebensbindungen der Bevo\u0308lkerung bei gro\u00dfer Produktivita\u0308t ging.<\/p>\n

Einen weiteren Ru\u0308ckschlag erlitt der Kampf um die Arbeitszeitverku\u0308rzung mit der Niederlage der IG Metall im Kampf um die 35h-Woche auch in den \u201eneuen Bundesla\u0308ndern\u201c, also Ostdeutschland. Sie brach den Streik 2003 trotz ka\u0308mpferischer ostdeutscher ArbeiterInnen, auch auf Druck westdeutscher Betriebsratsvorsitzender, ab. Seit den 2000ern gab es zudem, auch im Zuge der Agenda 2010, eine massive Zunahme an Outsourcing (hin zu weniger gut organisierten Betrieben, teils ganz ohne Tarifvertra\u0308ge), Flexibilisierung und Zunahme von U\u0308berstunden. So ist auch die 35h-Woche fu\u0308r viele ArbeiterInnen und Angestellte der Metall- und Elektroindustrie nur eine Zahl auf dem Papier.<\/p>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n

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Was bedeutet der Kampf fu\u0308r uns?<\/h2>\n

In ju\u0308ngster Zeit ru\u0308ckte der Kampf um die Arbeitszeit wieder in den Fokus der Gewerkschaften. Hierbei handelt es sich im Ergebnis aber oft nicht um eine fortschrittliche Arbeitszeitverku\u0308rzung. Die wu\u0308rde bedeuten, dass alle weniger arbeiten bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Stattdessen dominieren \u201eWahlmodelle\u201c, bei denen man sich entweder fu\u0308r wen Arbeitszeit oder mehr Lohn entscheiden kann, zudem oftmals nur fu\u0308r einen kleinen Teil der Bescha\u0308ftigten. Diese Modelle der Arbeitszeitverku\u0308rzung und die mit ihnen verbundenen Diskussionen mu\u0308ssen fu\u0308r uns aber Anlass sein, die Debatte um die \u201eechte\u201c Arbeitszeitverku\u0308rzung wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Und um sie zu ka\u0308mpfen.<\/p>\n

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Michael, Kassel<\/strong><\/p>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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