{"id":228,"date":"2008-12-20T18:30:12","date_gmt":"2008-12-20T17:30:12","guid":{"rendered":""},"modified":"2017-08-19T07:26:20","modified_gmt":"2017-08-19T06:26:20","slug":"die-liga-der-aussergewoehnlichen-demokratien","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.sdaj.org\/2008\/12\/20\/die-liga-der-aussergewoehnlichen-demokratien\/","title":{"rendered":"Die Liga der (au\u00dfergew\u00f6hnlichen) Demokratien"},"content":{"rendered":"

\"Position\u201eWenn die NATO sich erweitert, ist die Welt bereichert\u201c \u2013 Das neue Konzept der NATO<\/em><\/p>\n

Seit 1991, also nach dem Wegfallen ihres bisherigen Hauptfeindes, des sozialistischen Lagers, hat die NATO eine l\u00e4ngere Debatte \u00fcber ihre strategische Ausrichtung durchgemacht. Diese Debatte schlug sich in den Dokumenten von Rom 1991, Riga 1996, Washington 1999, Prag 2007 und Bukarest 2008 nieder und l\u00e4sst sich in aller K\u00fcrze so zusammenfassen:
\nDie weltweite Vorherrschaft des Westens soll gesichert werden durch \u00fcberlegene milit\u00e4rische Technik und ihren Einsatz in Interventionskriegen, bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Das Ziel der NATO ist es dabei, sich als die globale Ordnungsmacht zu etablieren, die nicht nur Ressourcenkonflikte milit\u00e4risch l\u00f6st, sondern auch aktuelle globale Probleme, wie z.B. Klimawandel, Energieversorgungen, Immigrationsstr\u00f6me und Hungerkatastrophen.
\nAls neuer Feind der NATO wird \u2013 neben dem \u201eglobalen Terrorismus\u201c – immer mehr das zu einer selbstbewussteren Au\u00dfenpolitik zur\u00fcckgekehrte Russland ausgemacht. So erkl\u00e4rte der russische NATO-Botschafter Rogosin auf einer Tagung des NATO-Russland-Rates:“Ich w\u00fcrde gerne ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass von nun an Russland \u00fcber eine neue Rolle verf\u00fcgt. Von nun an werden wir uns in der Au\u00dfenpolitik nur vom dem leiten lassen, was f\u00fcr uns n\u00fctzlich ist“
\n
\nSolche \u00c4u\u00dferungen \u2013 wie auch die ber\u00fchmte Rede Wladimir Putins auf der M\u00fcnchener Sicherheitskonferenz 2006 \u2013 sind den NATO-L\u00e4ndern ein Dorn im Auge, da Russland als Bedrohung der von ihnen angestrebten Weltordnung angesehen wird. Ein weiteres Ziel der NATO ist daher die Eind\u00e4mmung des russischen Einflusses, bzw. die milit\u00e4rische Einkreisung Russlands durch NATO-Staaten. Dieses Ziel wird vor allem von den USA vorangetrieben, etwa durch den Aufbau des sogenannten Raktenabwehrschirmes in Osteuropa, oder die angestrebte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens.
\nDie Politik der Eind\u00e4mmung soll auch gegen\u00fcber China angewandt werden, w\u00e4hrend beispielsweise Indien aktiv in die NATO-Politik einbezogen werden soll. Insgesamt l\u00e4sst sich sagen, dass es die Tendenz gibt, die transatlantische Orientierung des B\u00fcndnisses aufzugeben, zugunsten einer \u201eLiga der Demokratien\u201c (wie der gescheiterte amerikanische Pr\u00e4sidentschaftskandidat John McCain es formulierte). In ein solches B\u00fcndnis sollen dann auch Staaten wie Australien, Neuseeland, Japan oder Israel aufgenommen werden. Frei nach dem vom US-Senator Lindsay Graham ausgesprochenen Motto: „Wenn die NATO sich erweitert, ist die Welt bereichert“. Diese Orientierung ist letztlich der Versuch einer endg\u00fcltigen Militarisierung der internationalen Politik und der Ersetzung der UNO durch eine Milit\u00e4rorganisation, die sich selbst als ein B\u00fcndnis der \u201ewahren\u201c Demokratien und der Freiheit im Kampf gegen den Terror inszeniert. Bef\u00fcrworter betonen, ein solches B\u00fcndnis w\u00e4re auch ohne UN-Mandat \u2013 und dann auch unabh\u00e4ngig von st\u00f6renden russischen oder chinesischen Vetos \u2013 dazu legitimiert, Pr\u00e4ventivkriege zu f\u00fchren.
\nDiese Zielsetzung ist bereits Teil der laufenden Debatte \u00fcber ein neues strategisches Konzept, das nach Wunsch des amtierenden Generalsekret\u00e4rs des B\u00fcndnisses, Jaap de Hoop Scheffer, bereits bis zum Gipfel anl\u00e4sslich des NATO-Geburtstages 2009, verabschiedet werden soll. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte j\u00fcngst ein neues Konzept f\u00fcr die NATO, da angesichts neuer \u201eBedrohungen\u201c und Herausforderungen Klarheit \u00fcber die zu verfolgende Strategie n\u00f6tig sei. Mit dieser geforderten strategischen Klarheit ist wohl vor allem die Ausrichtung der Linie der NATO im Sinne des deutschen Imperialismus gemeint, der beispielsweise im Bezug auf Russland durchaus andere Interessen vertritt als die USA und dementsprechend gegen\u00fcber Moskau gespr\u00e4chsbereiter auftritt, oder aber, was die Entsendung neuer Bundeswehreinheiten nach Afghanistan angeht, die ja von den USA vehement eingefordert wird. Nun liegt es in der Natur eines B\u00fcndnisses imperialistischer Staaten, dass auch innerhalb dieses B\u00fcndnisses die Konkurrenz nicht aufh\u00f6rt. Dennoch ist die NATO immer noch ein wichtiges Instrument f\u00fcr diese Staaten, da sie mit ihm ihre gemeinsamen Interessen gegen\u00fcber Dritten \u2013 \u201eSt\u00f6rern\u201c ihrer globalen Ordnung, wie dem Iran beispielsweise –\u00a0 effektiver durchsetzen k\u00f6nnen.
\nEher unstrittig scheint wohl die k\u00fcnftig noch st\u00e4rkere Orientierung auf so genannte \u201eStabilisierungseins\u00e4tze\u201c, also Besatzungsmissionen, zu sein. Das auf dem NATO-Gipfel in Riga verabschiedete Planungsdokument, das die Richtlinien f\u00fcr die Neufassung des Strategischen Konzeptes vorgibt,\u00a0 Comprehensive Political Guidance (CPG), betont die\u00a0 „wachsende Bedeutung von Stabilisierungsoperationen und die milit\u00e4rische Unterst\u00fctzung von Wiederaufbaubem\u00fchungen im Anschluss an einen Konflikt.“ Eine ganz \u00e4hnliche Orientierung gab auch 2006 schon das Wei\u00dfbuch der Bundeswehr, in dem es hei\u00dft: „Die Anstrengungen der NATO werden sich k\u00fcnftig st\u00e4rker auf Stabilisierungseins\u00e4tze und milit\u00e4rische Unterst\u00fctzung f\u00fcr die Wiederherstellung staatlicher Strukturen richten. Dabei kommt es zunehmend darauf an, alle der NATO zur Verf\u00fcgung stehenden politischen und milit\u00e4rischen Instrumente und Kapazit\u00e4ten koordiniert zu nutzen.“
\nDas neue NATO-Konzept wird wohl noch weiter gehen, und nicht nur eine besonders enge Verbindung von milit\u00e4rischen und politischen, sondern ganz allgemein zivilen Instrumenten in den Vordergrund stellen. Die zivil-milit\u00e4rische Zusammenarbeit, das hei\u00dft die Einbindung ziviler Organisationen in die milit\u00e4rische Besatzungspolitik soll noch st\u00e4rker forciert werden. Diese Art der Kolonialverwaltung ist bereits in Afghanistan erprobt, ein generelles Besatzungs- und Aufstandsbek\u00e4mpfungskonzept fehlt der NATO allerdings bislang. Die NATO-Au\u00dfenminister haben aber die Ausarbeitung eines solchen Konzeptes beschlossen, das dann auch in das neue strategische Gesamtkonzept miteinflie\u00dfen soll.
\nEbenfalls eine Rolle in den \u00dcberlegungen f\u00fcr das neue Konzept d\u00fcrften wohl Vorschl\u00e4ge spielen, die bislang eher weniger offensiv in die \u00d6ffentlichkeit getragen wurden. Es handelt sich dabei um Vorschl\u00e4ge, die f\u00fcnf hochrangige NATO-Strategen im Januar 2008 ver\u00f6ffentlichten, unter ihnen\u00a0 der fr\u00fchere Oberkommandierende der Allianz, John Shalikashvili und der ehemalige Vorsitzende des NATO-Milit\u00e4rkomitees, Klaus Naumann. Diese Herren wollen k\u00fcnftig auch nukleare Pr\u00e4ventivschl\u00e4ge nicht mehr ausschlie\u00dfen. Au\u00dferdem fordern sie, den Rahmen f\u00fcr die v\u00f6lkerrechtlich legale Anwendung milit\u00e4rischer Gewalt um das Instrument der humanit\u00e4ren Intervention (Responsibility to Protect) zu erweitern und derartige Kriege – wie seinerzeit am Beispiel des Angriffskriegs gegen Jugoslawien vorexerziert – auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates durchzuf\u00fchren.
\nDie NATO schickt sich also an, sich auch ganz offiziell vom Etikett der \u201eVerteidigungsallianz\u201c zu verabschieden und sich weltweit um \u201emoralisch bef\u00e4higte\u201c Staaten zu erweitern, mit dem Ziel auch weltweit Pr\u00e4ventivkriege nach eigenem Gutd\u00fcnken durchf\u00fchren zu k\u00f6nnen, ohne R\u00fccksichtsnahme auf UNO und V\u00f6lkerrecht. Die Weichen dazu sollen auf der Konferenz im Fr\u00fchjahr 2009 in Stra\u00dfburg und Baden-Baden gestellt werden. Wir sollten gemeinsam daf\u00fcr sorgen, dass die Pl\u00e4ne dieser Liga der au\u00dfergew\u00f6hnlichen Demokraten nicht unwidersprochen bleiben!<\/p>\n

Aus: Position 6\/08: Kein Frieden mit der Nato<\/em><\/p>\n

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